dfi-Symposium DOING TIME – Dokumentarische Operationen im Umgang mit Zeit

Synopsen

Kurzfilmprogramm:

GESCHWINDIGKEIT. KINO EINS (BRD 1963, 13’)
Buch, Gestaltung: Edgar Reitz, Produzent: Norbert Handwerk (Inselfilm), Kamera: Edgar Reitz, Thomas Mauch, Schnitt: Edgar Reitz, Marion Imhof, Musik: Josef Anton Riedl

(…) Die Moderne steht unter dem Druck des erhöhten Tempos, die ‚Gezeiten‘ der Natur werden zwangsläufig überformt. Man könnte dies als ersten Erkenntnisschritt des Films bezeichnen. Ein zweiter wäre: dass die Geschwindigkeit der beobachtenden Kamera Einfluss auf die beobachteten Dinge ausübt, sie verformt, die realistische Abbildung durch surrealistische Zeichen ersetzt. (Thomas Koebner/DVD-Booklet Edgar Reitz: Das Frühwerk)

GO GO GO (US 1964, 12’)
Konzept & Realisation: Marie Menken

Ein Großteil des Materials wurde aus einem fahrenden Fahrzeug aufgenommen. Der Rest wird in Standbildern und Stop-Motion gedreht. Bei der Hafensequenz musste ich auf das richtige Maß an Aktivität warten, um die vorbeiziehenden Boote wirkungsvoll zu zeigen; einige Sequenzen dauerten über eine Stunde, um sie zu drehen, und sind vielleicht eine Minute lang auf dem Bildschirm zu sehen. (...). Verschiedene Teile der Stadt New York, die Vertiefung des geschäftigen Menschen in seine Geschäftigkeit, machen den größten Teil des Films aus ... eine Tour-de-Force über die Aktivitäten des Menschen. (Marie Menken/The Film-Makers‘ Cooperative)

CEREAL c annaspanlang 01

CEREAL / Soy Claudia, soy Esther y soy Teresa. Soy Ingrid, soy Fabiola y soy Valeria.
(AT 2022, 35’)
Konzept & Realisation: Anna Spanlang

Kunstschaffende Kollektive, skatende Frauen, Grenzzäune, Popmusik, Tourist*innen bei der mexikanischen Sonnenpyramide, Küchengespräche mit Freund*innen, Demonstrationen im öffentlichen Raum: gesammelte Momentaufnahmen aus einer ganzen Dekade, die Anna Spanlang aus dem persönlichen Handyvideo-Archiv ausgegraben und in einer künstlerischen Erinnerungsarbeit zu einem vielschichtigen wie facettenreichen Bild- und Tonkörper montiert hat, der mehr ist als bloß Summe seiner Fragmente. In elf kurzen Episoden verdichtet CEREAL sich zu einem involvierenden Videotagebuch, das individuelles Erleben unauflöslich an Gemeinschaft bindet, Privates, Kunst und Politik ineinanderschaltet. Ohne selbst im Bild oder als Stimme in Erscheinung zu treten, konstruiert Spanlang ein flirrendes Selbstporträt, das die Porträtierte erst in radikalen Subjektiven und in der Begegnung mit Menschen, Kunst und Diskursen sicht-, hör- und fühlbar werden, „ich“ sagen lässt.
(Michelle Koch/Diagonale 2022)

wow press

W O W Kodak (AT 2018, 3’)
Regie, Kamera, Schnitt: Viktoria Schmid, Mischung: Andreas Pilz

Ein Countdown, eine Ansammlung jubelnder Schaulustiger. Dann der Blick auf dichte, den Himmel unheilvoll verdunkelnde Staubwolken. Was für einen Moment wie ein apokalyptisches Zerstörungsszenario erscheint, verkehrt sich im nächsten ins Gegenteil: Die Staubschwaden strömen energiegeladen ins Bildzentrum, unter Dröhnen und erstaunten Rufen des Publikums setzen sich herumwirbelnde Trümmerteile zusammen, ein eindrucksvolles Gebäude errichtet sich. Kodak bewarb die Sprengung seines Firmenhauptsitzes in Rochester mit dem Slogan „A day for a revolution“. Viktoria Schmid, die vorwiegend mit analogem Material arbeitet, hat diesen Appell ernst genommen, das Abrissspektakel in eine Wiederauferstehung transformiert und den Abgesang auf eine Ära subvertiert. Fünf rückwärts gespielte You- Tube-Clips, fünf unterschiedliche Perspektiven –, ein Kommentar zur Lage der globalen Filmkultur: Der analoge Film ist tot – lang lebe der analoge Film! (Michelle Koch/Diagonale 2018)

NYC RGB ViktoriaSchmid Still 00001

NYC RGB (AT/US 2023, 7’)
Regie, Kamera, Schnitt, Originalton: Viktoria Schmid
Musik, Sounddesign: Liew Niyomkarn

„She comes in colours everywhere“, verkündete einst Mick Jagger, und Viktoria Schmid fragt mit formaler Präzision und technischer Neugier, ob das auch für den Film gilt. Als Teil einer Reihe von Arbeiten, die sich mit historischen Farbfilmverfahren beschäftigen, erforscht NYC RGB die Effekte einer Dreifachbelichtung, bei der ein Filmstreifen zeitlich versetzt mit drei unterschiedlichen Farbfiltern die Kamera durchläuft. Die Blicke aus einer New Yorker Wohnung (passend von musikalischen Dreiklängen begleitet) entsprechen so einer völlig neuen Seherfahrung, in der sich das Vergangene und das Gegenwärtige überlagern. Man könnte von einem Farbecho sprechen – die Skyline der Metropole sieht so aus wie vor langer Zeit und doch wie nie zuvor. Während andere sich der Einheitlichkeit des Digitalen unterwerfen, zeigt Schmid die immense, geheimnisvolle und farbenfrohe Einzigartigkeit des Analogen. (Patrick Holzapfel/Diagonale 2023)

FOG LINE (US 1970, 11’)
Konzept & Realisation: Larry Gottheim

Der Nebel lichtet sich über einer Szene. Für einen aufmerksamen Betrachter könnte sich auch der geistige Nebel lichten. Es geht nicht von Weiß zu voller Klarheit. Es zeigt nur ein Stück Zeit, einen Ausschnitt aus einem Prozess in der Landschaft und im Kopf des Betrachters. Das ganze Bild verändert sich langsam, der Himmel, der Boden, das, was an den Rändern ist. Die Hauptmerkmale sind die drei Bäume und die Drähte. Die Bäume stehen da und manifestieren ihr Wesen. Sie haben eine weiche Form ohne Umrisse. Die Linien der Drähte sind etwas anderes. Sie haben eher etwas mit Zeichnen als mit Malen zu tun, eher mit dem kontrollierenden Verstand als mit der Vorstellungskraft. Die Implikationen dieses Gegensatzes ziehen sich durch mein gesamtes Werk. Sie haben etwas Ätherisches, Geisterhaftes. Der Betrachter ist eingeladen, die Leinwand zu erforschen, hierhin und dorthin zu schauen, wobei jeder einen anderen Weg einschlägt. Diejenigen, die in die Emulsion eindringen, aus der das Bild besteht, werden mit dem Anblick von Geisterpferden belohnt, den ersten Tieren in meinen Filmen. (Larry Gottheim/Light Cone)

Willi Detert 1

AUS EINEM JAHR DER NICHTEREIGNISSE (DE 2017, 83’)
Regie, Produzent:innen: Ann Carolin Renninger, René Frölke, Kamera: René Frölke, Ann Carolin Renninger, Montage: René Frölke, Produktion: joon film

Willi ist fast neunzig Jahre alt und lebt allein auf einem Bauernhof in Norddeutschland. Er spricht gern mit seiner Katze, füttert das Federvieh und geht auf seinen quietschenden Rollator gestützt über das Gelände. Der Garten ist verwildert. Im Haus haben sich vielerlei Gegenstände aus einem langen Leben angesammelt, Relikte vergangener Zeiten. Ab und zu kommt Besuch oder ein Moped fährt vorbei, sonst geschieht nicht viel. Im Wechsel der Jahreszeiten zeichnet der Film ein Porträt vom Alltag des resoluten, ein wenig zerzausten alten Mannes, das zugleich ein visueller Essay über den Zyklus des Lebens ist. Die Kamera macht Beobachtungen in der Natur, filmt Obst und Blüten in voller Pracht. Sie interessiert sich auch für Texturen, das Fell der Katze, das Muster des Kaffeegeschirrs, die Struktur einer Marzipantorte. Hin und wieder fotografiert sie Äpfel oder Gartenstühle aus Plastik wie Stillleben. Die Aufnahmen transzendieren die bloße Abbildung, in ihnen enthalten ist ein Gefühl der Vergänglichkeit, das durch die Fragilität des verwendeten Super-8- und 16-mm-Materials unterstützt wird. Auch die beim Rollenwechsel entstandenen Schwarzbilder machen das Vergehen von Zeit sichtbar. (Birgit Kohler/Berlinale Forum 2017)

HOTEL MONTEREY (BE 1972, 63’)
Buch, Regie: Chantal Akerman, Kamera: Babette Mangolte, Montage: Geneviève Luciani

»Often when people come out of a good film, they would say that time flew without noticing. What I want is to make people feel the passing of time. So I don’t take 2 hours of their lives, they experience them.« (Chantal Akerman)

Unter Chantal Akermans wachsamem Auge erstrahlt ein billiges Hotel in Manhattan in geheimnisvoller und unerwarteter Schönheit. Seine Korridore, Aufzüge, Zimmer, Fenster und gelegentlichen Bewohner sind wie Tableaus von Edward Hopper gestaltet. Über einen Zeitraum von fünfzehn Stunden, vom Abend bis zur Morgendämmerung gefilmt, bahnt sich die sorgfältig kontrollierte Kamera der Kamerafrau und häufigen Mitarbeiterin Babette Mangolte allmählich ihren Weg von der lichtdurchfluteten Lobby bis zum Dach mit Blick auf die erwachende Stadt. Dieses radikale, stille Experiment mit der Dauer zählt zu Akermans beeindruckendsten formalen Leistungen, da es die Zeit zusammenbrechen lässt und den alltäglichen Raum, den es untersucht, mit einer unheimlichen Unwirklichkeit auflädt.
(The Criterion Collection)

SOUKROMÝ VESMÍR / PRIVATE UNIVERSE (CZ [1974-]2012, 83’)
Buch, Regie: Helena Třeštíková, Kamera: Jessica Horváthová, Jan Špáta, Jan Malíř, Martin Kubala, Montage: Jakub Hejna

Als Petr 1974 am Tag seiner Hochzeit mit Jana in Prag ein Tagebuch beginnt, weiß er nicht, wie die Welt und wie sein kleines Familienuniversum sich entwickeln werden – und wie sich beides gegenseitig beeinflusst. Als Helena Třeštíková kurz darauf beginnt, Janas Schwangerschaft mit der Kamera zu begleiten, weiß sie nicht, dass daraus 37 Jahre später ihre bisher längste Langzeitdokumentation entstehen sollte (…). Petrs Tagebuchaufzeichnungen bilden das variable Gerüst für dieses stets leichtfüßige Familienporträt. Aus der Tagebuch-Perspektive erscheinen große politische Umbrüche zuweilen als Randnotizen, während erste Zähne zu zentralen Ereignissen werden. Im Kleinen wird der Wandel der tschechischen Gesellschaft nachvollzogen, ein Leben zwischen Karel Gott und John Lennon. Die ganze Dimension des Filmtitels offenbart sich aber erst, wenn Sohn Honza, der Widerspenstige, sich zum eigentlichen Protagonisten entwickelt. (Lars Meyer/DOK Leipzig 2012)

SOUKROMÝ VESMÍR / PRIVATE UNIVERSE (CZ [1974-]2012)
Der Langzeitdokumentarfilm als Archivarbeit der longue durée
Vortrag von Marion Biet

Die tschechische Regisseurin Helena Třeštíková hat sich seit den 1980er-Jahren auf das Genre der Langzeitbeobachtung spezialisiert und rund 50 Langzeitdokumentarfilme für Kino und Fernsehen realisiert. Anhand einer Analyse des Films PRIVATE UNIVERSE, der die Archivarbeit in der longue durée reflektiert, wird ein Einblick in Třeštíkovás einzigartige Arbeitsweise gegeben, die sie selbst als ‚časosběrná metoda‘, auf Deutsch ‚Zeitraffermethode‘ oder wörtlich aus dem Tschechischen als ‚zeit-sammelnde Methode‘ beschreibt.

Über die Jahre – Leben, Arbeit und Wandel in Wittstock
Werkstattgespräch mit Volker Koepp entlang von Ausschnitten aus seinem siebenteiligen Wittstock-Zyklus (DDR 1975 – DE 1997)

1. MÄDCHEN IN WITTSTOCK (DDR 1975, 20‘)
2. WIEDER IN WITTSTOCK (DDR 1976, 22‘)
3. WITTSTOCK III (DDR 1978, 32‘)
4. LEBEN UND WEBEN (DDR 1981, 28‘)
5. LEBEN IN WITTSTOCK (DDR 1984, 82‘)
6. NEUES IN WITTSTOCK (BRD/FR, 96‘)
7. WITTSTOCK, WITTSTOCK (BRD 1997, 114‘)

Bei der ersten Begegnung zwischen Volker Koepp und den jungen Textilarbeiterinnen Elsbeth, Edith und Renate im Rahmen eines Kurzdokumentarfilms über die Berufstätigkeit von Frauen in der DDR war noch nicht absehbar, dass dieser Film nur der Anfang sein und die Begegnung in besondere Beziehungen, eine dokumentarische Langzeitbeobachtung und eine siebenteilige Filmreihe münden würde. Über einen Zeitraum von 22 Jahren kehrte Koepp regelmäßig zurück ins brandenburgische Wittstock, in den Obertrikotagenbetrieb Lück und zu seinen Protagonistinnen. Chronologisch und seriell erzählt gibt die Reihe Einblicke in ihren Alltag, ihre Sorgen und Sehnsüchte und begleitet sie vom Aufbau bis zur Schließung der Fabrik, von den ersten Berufstagen in der DDR bis zur Kündigung im wiedervereinten Deutschland. Vor allem die Vergegenwärtigung und Reflexion von Vergangenem, das Einflechten früher Aufnahmen in aktuelles Material evoziert in den späteren Filmen das Gefühl einer zyklischen Zeitlichkeit, in der Veränderungen und Konstanten über die Jahre hinweg sichtbar werden, wiederkehrende Themen und Motive die Lebensrealitäten der Protagonistinnen spiegeln. WITTSTOCK macht erfahrbar, wie sich individuelle und kollektive Geschichte(n) entfalten, wie Träume verblassen, wie die Umstände, das Leben, das Alter, die Zeit an den Menschen arbeiten. Entlang von Ausschnitten wird Volker Koepp über seine in Wittstock verbrachte Lebens- und Arbeitszeit und über dokumentarische Herangehensweisen sprechen.

RETTETDASFEUER Presse 01

RETTET DAS FEUER (Jasco Viefhues, DE 2019, 82‘)
Buch, Regie, Produzent: Jasco Viefhues, Kamera: Hendrik Reichel, Montage: Reinaldo P. Almeida, Produktion: Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB)

Jasco Viefhues reist mit seinem Film RETTET DAS FEUER in das Archiv und den Nachlass des Künstlers Jürgen Baldiga. Dabei trifft er in einer Jetztzeit des Films Freund*innen des Fotografen und gibt ihnen Raum für gemeinsame Erinnerungsarbeit, verbringt Zeit mit ihnen. Der Film blickt zurück und schlägt damit eine Verbindung in die Vergangenheit. Diese zieht er aus einem heute und macht dabei vielfache Bezüge zur Diskussion filminhärenter Bearbeitung von zeitlichen Ordnungen auf. Die spezifische Zeitlichkeit der Fotografien und Videoarbeiten im Film, das Archiv als Ort der Bewahrung der Vergangenheit, aber auch das gemeinsame Sprechen und die geteilte Zeit sind Momente, die auch in den Queer Studies in der Hinwendung zu Fragen nach normativer Zeitlichkeit relevant gemacht werden. Dabei bildet die gewaltvolle Erfahrung gesellschaftlichen Ausschlusses in der HIV- / AIDS-Pandemie einen Ausgangspunkt der Reflexion normativer Zeitlichkeit in den Queer Studies, die sich auch hier in Jasco Viefhues‘ Film wiederfindet. Gleichzeitig ist der filmische Blick zurück und die eigenen Positionen zu einer Vergangenheit zentral. (Natascha Frankenberg)

„Man kann sich die Geschichte länglich vorstellen, sie ist aber ein Haufen.“
Werkstattgespräch mit den Editoren René Frölke und Chris Wright entlang von Ausschnitten aus Thomas Heises MATERIAL (DE 2009, 166’) und HEIMAT IST EIN RAUM AUS ZEIT (DE/AT 2019, 218’)

„Man kann sich die Geschichte länglich denken. Sie ist aber ein Haufen.“ So eröffnet Thomas Heise seinen Film MATERIAL. Er fügt Fragmente des Umbruchs 1988/89 zusammen, als ein anderes Deutschland noch möglich schien: Beobachtungen im Gefängnis, am Theater, auf Versammlungen und bei Häuserräumungen. Zehn Jahre später: „Es geht darum, Zeugnis abzulegen. Ich weiß, das klingt pathetisch.“ (Heise) Auch in HEIMAT IST EIN RAUM AUS ZEIT steht, entlang der Chronik von Heises Familie, die die Verwerfungen eines ganzen Jahrhunderts umfasst, das Verhältnis Mensch und Geschichte im Zentrum.“ (Akademie der Künste, Berlin)
Im gemeinsamen Gespräch entlang von Ausschnitten werden die Editoren René Frölke und Chris Wright auf ihre Zusammenarbeit mit Thomas Heise zurückschauen, eigene Arbeitsweisen reflektieren und erläutern, wie aus unzähligem Material, aus Resten, unterschiedlichen Spuren, Perspektiven und Erinnerungen Haufen und Zeit-Räume gestaltet werden und wie das Heisesche Verständnis von Zeitlichkeit und Geschichte in der Montage zu Form und Rhythmus finden kann, um die Komplexität und Vielschichtigkeit dieser Zeit-(Ge)Schichten oder die chaotische Natur der Erinnerung als menschliche Erfahrung zu vermitteln.

MATERIAL Premiere 06

MATERIAL (Thomas Heise, DE 2009, 166’)
Buch, Regie: Thomas Heise, Kamera: Peter Badel, Sebastian Richter, Thomas Heise, Jutta Tränkle, Börres Weiffenbach, Ton: Jürgen Schönhoff, Robert Nickolaus, Maxim Wolfram, Uve Haussig, Montage: René Frölke, Musik: Charles Ives, Produktion: ma.ja.de. filmproduktion, Thomas Heise, ZDF

Mit MATERIAL präsentiert der 1955 in Ost-Berlin geborene Thomas Heise seine individuelle Wahrnehmung deutscher Geschichte, die durch seine Lebenserfahrungen in der DDR geprägt wurde. Heise montiert Bild- und Tonmaterial, das er im Laufe der letzten dreißig Jahre im Zuge seiner künstlerischen Arbeit gesammelt hat, zu einer Installation, die ein eigenwilliges historisches Panorama abseits offizieller Geschichtsbilder entwirft. Man sieht Fragmente aus dem wirklichen Leben, Menschen auf der Straße, bei Parteiveranstaltungen, im Gefängnis, im Parlament; Alltagsbeobachtungen, die im Widerspruch standen zum offiziellen Selbstbild der DDR. Diese Aufnahmen entstanden in dem Wissen, dass sie aufbewahrt werden müssten für eine andere Zeit, in der sie öffentlich gezeigt werden dürften. Die ältesten Töne und Bilder stammen aus einer Reportageübung an der Filmhochschule Potsdam Babelsberg aus dem Jahr 1979. Die jüngsten Szenen zeigen beispielsweise Bilder vom Abriss des Palastes der Republik in Berlin. (Kulturstiftung des Bundes)

06 Gestern lernte ich Pjotr Velargowitsch kennen Stefan Neuberger

HEIMAT IST EIN RAUM AUS ZEIT (Thomas Heise, DE/AT 2019, 218’)
Buch, Regie, Sprecher: Thomas Heise, Produktion: Heino Deckert, Navigator Film, Bildgestaltung: Stefan Neuberger, Peter Badel, Börres Weiffenbach, Ton: Johannes Schmelzer-Ziringer, Montage: Chris Wright, Produktion

Der Film folgt den biografischen Spuren einer zerrissenen Familie über das ausgehende 19. und das folgende 20. Jahrhundert hinweg. Es geht um Menschen, die einst zufällig zueinander fanden, dann einander verloren. Deren verbliebene Kinder und Enkel jetzt verschwinden. Es geht um Sprechen und Schweigen. Erste Liebe und verschwundenes Glück. Väter, Mütter, Söhne, Brüder, Affären, Verletzung und Glück in wechselnden Landschaften, die verschiedene, einander durchwuchernde Spuren von Zeiten in sich tragen.
Eine Collage aus Bildern, Tönen, Briefen, Tagebüchern, Notizen, Geräuschen, Stimmen, Fragmenten. „Heimat ist ein Raum aus Zeit“ ist ein Nachdenken über die Zeit und die Liebe in ihr, den Menschen, in Tönen, Bildern und Sprache. Immer bleibt ein Rest, der nicht aufgeht. (GMfilms)