Filme Symposium
Fotofilme
Das Kino und der Tod
Hartmut Bitomsky, D 1988, 46 Min.
„Ich wollte einen Film machen, der aus nicht viel mehr als mir sprechend vor der Kamera besteht und Photographien, die ich von Filmen abgenommen hatte. Keine Filmausschnitte, keine Abschweifungen, keine Ausflüchte ... Das Kino scheint auf gewisse Weise unablässig mit dem Tod, dem Töten und dem Sterben beschäftigt zu sein. Der Tod, so kann man sagen, ist ein Axiom des Kinos. Photographie und Film sind des öfteren als Medien des Todes begriffen worden. Bazin nannte sie ‚das Leichentuch der Realität’.“ (Hartmut Bitomsky)
Der Tag eines unständigen Hafenarbeiters
Hubert Fichte und Leonore Mau, D 1966, 16 Min.
Der Film schildert den Tagesablauf eines täglich neu Arbeit suchenden Lohnarbeiters, der auf der untersten sozialen Stufe der Arbeiter-Hierarchie steht. Der Kommentar greift zum Teil die Sprache der Hafenarbeiter auf und verfugt sich wunderbar mit den Schwarz-Weiß-Fotografien. Beides zusammen ergibt eine präzise gebaute Reportage über Arbeit und Freizeit im Hafenmilieu und ihre sozialen Bedingungen. Drei Bewegt-Film-Sequenzen unterbrechen die Fotofolge und thematisieren die Fotoform.
Der Fischmarkt und die Fische
Hubert Fichte und Leonore Mau, D 1968, 9 Min.
Das Portrait zeigt den Alltag und das Leben in dem portugiesischen Fischerdorf Sesimbra, südlich von Lissabon, zur Zeit der Diktatur Salazars 1964. Die Fotos von Mau, z.B. in geometrischen Mustern ausgebreitete Fische, und Fichtes Kommentar sekundieren sich gegenseitig. Doch das Wort ‚Kommentar’ führt in die Irre, beschreibt den poetisch-reportageartigen Text nur ungenügend.
Die Spanische Treppe
Hubert Fichte und Leonore Mau, D 1970, 10 Min.
Der Film erforscht den gleichnamigen Schauplatz in Rom. Fotografien und Kommentar laufen fast vollständig getrennt nebeneinander her. Die Fotografiefolge nähert sich den abgebildeten Menschen und entfernt sich wieder. Daraus entsteht ein Pulsieren, ein An- und Abschwellen im Ablauf. Eine angefügte Filmsequenz gliedert sich in den Film ein. Sie reflektiert die Form des Fotofilms, denn das durchgeblätterte Comicbändchen verwandelt sich durch die Bewegung der Finger in ein Daumenkino.
Execution. A Study of Mary
Elfi Mikesch, D 1979, 28 Min.
Der Film basiert auf einer Dia-Show „A Study of Mary“, die Elfi Mikesch 1977 in der Berliner Galerie Werner Kunze ausgestellt hatte.
„Die Widersprüchlichkeit und die Vielfalt des Materials, mit dem die Person Maria Stuarts im Laufe der Zeit umgeben wurde, brachte mich auf den Gedanken, diese ‚königliche Geschichte’ zu trivialisieren. Ich reduzierte die Informationen zu Bildern der Leidenschaft, Macht, Liebe, Schmerz und Tod. Einzelne Bilder sind es auch, die die Voraussetzung des Films bilden. Sozusagen die reinen Einstellungen der Szenen, ohne bewegten Ablauf. Ein photographischer Film, der auf die Ambivalenz der zwei sich ergänzenden Medien hinweist. Film und Photographie." (Elfi Mikesch)
Fremdkörper
Katja Pratschke und Gusztáv Hámos, D 2002, 28 Min.
Der Film „erinnert in seiner Ästhetik an die klassischen Fotofilme Chris Markers und die konzeptuellen Liebesfilme der Nouvelle Vague. Doch obwohl man bei der Geschichte der Freunde Jan und Jon und ihrer gemeinsamen Liebe Marie unwillkürlich an Truffauts Jules und Jim denken muss, entpuppt sich die geradezu verschlingend-suggestive Erzählung als ein hochaktueller Exkurs über Genetik und menschliche Identität.“ (Daniel Kothenschulte)
La Jetée
Chris Marker, F 1962, 28 Min.
Ein legendärer Sciencefiction, der nur aus überblendeten Fotografien besteht: In den Kellern des atomkriegverseuchten Paris experimentieren Überlebende mit einem Gefangenen, um in der Zeit zu reisen. Durch die Erinnerung an ein besonders starkes mentales Bild, das Gesicht einer Frau, gelingt es ihm, in die Vergangenheit zu fliehen und sie zu treffen. Die vergegenwärtigende Wahrnehmungsweise der Erinnerung, die Zeiten und Räume überbrückt, zeigt sich in der einzigen bewegten Filmaufnahme, dem Augenaufschlag der Frau angesichts des Zeitreisenden.
Si j’avais quatre dromadaires
Chris Marker, F 1966, 49 Min.
In seinem Fotofilm (Wenn ich vier Dromedare hätte) zeigt Chris Marker seine Bilderbeute aus 10 Jahren und zahllosen Reisen um die Welt. Im Off diskutieren und kommentieren ein Fotograf und zwei Freunde das Gezeigte. Sie durchstöbern das fotografische Bestiarium nach Analogien und Differenzen zwischen den Kontinenten. Alles ist ihnen Ausgangspunkt für Reflexionen: der Tiermarkt in Moskau, Waisenkinder in Korea, junge Schwedinnen. Der Titel huldigt einem Gedicht über den Infanten von Spanien, der sich mit zwölf Gefährten und vier Dromedaren aufmachte, die sieben Erdteile zu besehen.
Ulysse
Agnès Varda, F 1982, 22 Min.
Die Autorin erforscht ein Foto, das sie 1954 gemacht hat: Ein nackter Mann in Rückenansicht, ein Kind und eine tote Ziege am Strand. „Ausgehend von diesem Foto habe ich die Protagonisten gesucht und wollte gar den Augenblick dieser Aufnahme wiederfinden. Dabei interessierte mich nicht nur, mein Gedächtnis und die Zeit zu erforschen, sondern das Bild zu befragen, die Darstellung der Erinnerung, die Beziehung der Erinnerung zur Darstellung abzufragen. Und das ist doch das eigentliche Material des Kinos: Zugleich die Zeit, die Bewegung und vor allem das Bild zu befragen." (Agnès Varda)
The Writing in the Sand>
Sirkka-Liisa Konttinen, GB 1991, 43 Min.
Der vielfach preisgekrönter Fotofilm lebt vom fotografierten Augenblick, von Schnappschüssen an Stränden Nordenglands. „Lärmende Rituale, immer die gleichen und immer überraschend: Sprünge in die Brandung, körperlose grinsende Köpfe im Sand, Meerjungfrauen verschmelzen mit den Fluten am Ende eines Tages. Und all das passiert wieder am nächsten Tag und im nächsten Sommer und lange, nachdem ich meine Fotos gemacht habe." (Sirkka-Liisa Konttinen)
What I’m Looking For
Shelly Silver, USA 2004, 15 Min.
Die Autorin macht sich in Lower Manhatten zu blind dates auf, begegnet Menschen, um sie zu fotografieren. Es ist wie beim Jagen oder Fischen: Man weiß nicht genau, was man erlegen wird und ob man es haben möchte oder wieder wegwirft.