Dokumentation der dfi-Tagung
Die Farbe des Geldes. Dokumentarfilme zur ‚New Economy'.
Direkt zu den Vorträgen der Tagung:
Vortrag von Klaus Kreimeier »Bildersuche im Reich der Ökonomie«
Vortrag von Wolfram Knorr »Die Figur des Börsianers in Film und Literatur«
Einführung von Stefan Reinecke zu »Triumph of the Nerds«
Einführung von Gerhard Bliersbach zu »Die Seele des Geldes«
Einführung von Michael Barchet zu »Roger & Me«
Zusammenfassung der Tagung
Es gibt zu wenig Dokumentarfilme zum neuen Börsenboom, in dem die Akteure inzwischen "kleine Leute" sind. Sie kaufen die "Volksaktien" von Telekom oder den neuen Start-up-Unternehmen in der Netzwelt wie in den Medien, z.B. die Aktien der Fernsehrechtefirma "EM-TV". Ihre Hoffnung: der "schnelle Gewinn" - auch wenn die Regel lautet "Aktien halten".
Eine neue Geldkultur ist entstanden mit der Leitfigur "Börsianer". Wolfram Knorr suchte in seinem Vortrag nach dieser Figur in früheren Filmen und fand die Manipulation wie die Irrationalität. In der neuen Geldkultur haben wir uns daran gewöhnt, steigende und fallende Kurse von Aktien als Bilder für den Wert von dahinterstehenden Unternehmen zu lesen. Neue Metaphern, die die alten sind, wie der Medientheoretiker Klaus Kreimeier ausführte, Aktienkurven und Fieberkurven sind ähnlich, und sie sind Ausdruck für Erwartung und Erregung. Ein psychologischer Boden, auf dem die Auf und Abs der Neuen Ökonomie stattfinden, dargestellt u.a. in den Filmen "Wallstreet" von Thomas Schadt (Deutschland 1997) oder in "Midas Formula" (Großbritannien 1999).
Es geht also um Bilder, um die Metaphern, ständig verbreitet durch die Medien. Was kann, was soll das dokumentarische Arbeiten in diesem komplexen Zusammenhang, der sich zudem in den Netzen abspielt? Wie können Netzökonomien und Bewegungskräfte visualisiert werden, war die eine Frage der Veranstaltung? Auf diese Fragen gab u.a. der Vortrag Klaus Kreimeiers "Bildersuche im Reich der Ökonomie" verschiedene Antworten mit seinen Ausführungen über die Bildsprache in der Tauschgesellschaft, zur Theorie des Bildes, zum technischen Bild und zum Dokumentarfilm. Die andere war: Wer sind die Teilnehmer an der neuen Geldkultur und wie verändert sich das Bild des Unternehmers?
Es waren die Filme von Marcus Vetter "Daytrader" (SWR 1999) und "Die EM-TV-Story" (SWR 2000), die den Umgang mit Aktienkauf und den Beruf des Daytraders im Alltag darstellten. Der Film "Triumph of the Nerds" (USA1196) erzählte die technikhistorische und heldische Legende der Gründer von Microsoft und Apple. In der Filmeinführung fragte Stefan Reinecke, ob die Sprache, in der diese Legende präsentiert wird, immer die Sprache von Gründergenerationen ist. Es ist eine Sprache, geprägt durch theologische Metaphern, wie die "Suche nach dem heiligen Gral" bis zur "Neuschöpfung" der Welt. Den Kontrast dazu bot der Film "Der Fall Mattei" von Francesco Rosi, (Italien 1972). Er zeichnete Anfang der 70er Jahre ein Porträt, in dem ein Unternehmer der nationalen Ölindustrie des Nachkriegsitaliens eine soziale und politische Utopie hat.
"Roger & Me" (USA 1989), der Road-Movie von Michael Moore, ist geprägt von der Suche nach einem Vorstandsvorsitzenden und seiner sozialen Verantwortung für unternehmerische Entscheidungen. In der Filmeinführung betonte Michael Barchet die Schule des neuen Dokumentarismus in den USA, der mit diesem erfolgreichsten Dokumentarfilm aller Zeiten, in die Kinos gebracht vom Vertrieb der Warner Bros., begann. Er stellte gleichzeitig die Frage, ob mit dem Beginn des virtuellen Raums in der Ökonomie und der Reduktion von personeller Verantwortung die Gattung des Dokumentarfilms ihre Grenzen überschreitet und Anleihen beim Spielfilm macht. Einer Frage, die auch Klaus Kreimeier in seinem Vortrag aufgriff. Gemeinsames Kennzeichen der Filme von Vetter bis Moore ist die Suche nach den realen Referenten für virtuelle Inhalte - Michael Moore sucht den realen Roger Smith, Vetter die realen Schauplätze für die Güter, die am Computer nur noch als Optionen gehandelt werden.
Die Filmeinführung von Gerhard Bliersbach zu "Die Seele des Geldes" von Peter Krieg (Deutschland 1987) schließlich bot eine psychoanalytische Theorie einer Gesellschaft, die sich dem Gewinn verschrieben hat. Seine Ausführungen warfen ein Licht auf die psychosoziale Bedeutung kursierender Fantasien, die Wirklichkeiten herstellen. Gruppenfantasien über Lebensbedingungen, über Gewinn, Markt, Macht und Schuld.
Die Dokumentarfilmszene, die RedakteurInnen in den Fernsehanstalten haben mitunter Vorbehalte gegen Themen, die sich mit Gewinn und Geldmacht befassen, mit Aktienmillionären und deren Lebensbedingungen - auch wenn sie längst zur Leitfigur der Zeit geworden sind. Daß aber Dokumentarfilme über diese Leitfiguren längst notwendig sind, war das Ergebnis des Werkstattgesprächs. Dokumentarisches Arbeiten stellt die Leitfiguren in ihren lebenshistorischen Kontext und entblättert allein dadurch schon Mythen und kollektive Fantasien. Freilich bleiben die Suche nach Bildern und eine umfangreiche Recherche, die manchmal durch die sich überschlagenden Wirtschaftsentwicklungen überholt wird, Voraussetzung und Anforderung an zukünftige Dokumentarfilme über die "New Economy".
Petra L. Schmitz, dfi